Folge 1: Interview mit David Dreyer

In der ersten Folge des OMReport hört ihr ein Interview mit David Dreyer von The Net Circle. Ich finde besonders bemerkenswert was David und seine Brüder machen, da sie a) sehr hohe moralische Standards bei ihrem Handeln ansetzen und b) sehr professionell arbeiten, was man beides in der Form und Kombination ansonsten in der Erotik Branche eher selten findet. Das Interview ist vom 20. Februar 2011 in Barcelona. Das Foto ist ca. 2008 in Shanghai entstanden als mich David da auf eine wilde Radtour durch die Stadt geführt hat.

David Dreyer und Andre Alpar

Das Interview ist weiter unten auch als Transkription und auf Youtube verfügbar.

Transkription:

Alpar: So, hallo! Ich bin hier mit David Dreyer. David, was machst du hier genau?

Dreyer: Wir betreiben Communities, oder, ja, Dating-Webseiten und unter anderem poppen.de, gays.de, flirten.de oder kaufmich.com und ja, Dating-Communities und Social Networks.

Alpar: Okay. Wir sind hier auf dem Barcelona Summit, das ist eine Direct Webmaster Konferenz, wunderst du dich denn nicht auch, dass hier so viele leicht angezogene Mädchen herumlaufen? Ich meine, macht das denn Sinn, wo die Leute doch durchaus weniger bekleidete Personen den ganzen Tag sehen bei ihrer Arbeit, dass sie jetzt hier so mit leicht bedeckten Mädchen sich zufrieden geben?

Dreyer: Dieselbe Frage stelle ich mir auch immer. Ich persönlich finde es eigentlich eher komisch oder beziehungsweise überflüssig, weil es einfach ein bisschen die Seriosität aus der ganzen Sache nimmt. Allerdings, ich habe mehrmals Feedback gegeben und es scheint wohl einfach dazuzugehören.

Alpar: Wie schafft man es denn sozusagen ernst zu bleiben, können denn die Leute denn Geschäft und Produkt trennen wirklich? Also schaffen die es Arbeit von Vergnügen zu trennen? Das ist ja manchmal, könnte man vermuten, dass das ein fließender Übergang ist.

Dreyer: Ich würde sagen, es kommt auf die Tageszeit an. Also es geht morgens immer relativ relaxed los, zum Abend hin kann es dann auch schon mal wilder werden.

Alpar: Vielleicht mal zurück zu euch: Wie groß ist eure Firma?

Dreyer: Wir haben mehrere Standorte. Also zum einen einmal in Shanghai, da entwickeln wir, dann machen wir den Support aus Berlin und hier aus Barcelona das Marketing und die genaue Mitarbeiterzahl kann ich dir gar nicht so genau nennen, in etwa 50 vielleicht.

Alpar: Drei Standorte für 50 Leute. Sagen wir mal also 15 im Durchschnitt vielleicht pro Standort, das klingt ja nach einer ganzen Menge Koordinationsarbeit.

Dreyer: Ja, es wirft Probleme auf, die gelöst werden müssen oder die uns herausfordern. Größten Teils sind es Kommunikationsprobleme und der allgemeine Kommunikationsflow und der Wissensflow, allerdings wird unser Unternehmen, würde ich sagen, dadurch auch gefördert und es einfach grundsätzlich besser aufgestellt.

Alpar: Schafft man es überhaupt so eine gemeinsame Firmenkultur zu haben, oder sagst du die Aufgabenbereiche sind so unterschiedlich, dass da auch so mehrere unterschiedliche Kulturen herrschen können. Könnte man ja auch sagen, in großen Firmen, wenn die große Entwicklungsteams haben, haben die bestimmt eine andere Lebenskultur als vielleicht das Marketingteam. Sagst du, dass deswegen auch kein Problem ist sozusagen, die Firma so verteilt zu haben?

Dreyer: Arbeitsklima und Firmenkultur spielt für uns oder in unserem Unternehmen eine sehr große Rolle, würde ich sagen. Wir legen sehr viel Wert auf ein gesundes Arbeitsklima und auf ein angenehmes Arbeitsklima mit einer gesunden Firmenkultur. Was die Standorte angeht würde ich sagen, eher unterscheidet sich die Arbeitskultur und die Firmenphilosophie je nach Standort. Also hier in Barcelona ist es mehr aufs Meer bezogen und das Büro am Strand und in Shanghai ist es mehr auf gemeinsame Aktivitäten und Party bezogen.
Alpar: Würde es denn nicht Sinn machen vielleicht das Ganze zusammenzulegen oder was sind die Vorteile von so einem verteilten Arbeiten?

Dreyer: Ob es nun wirklich Vorteile hat, das weiß ich gar nicht so genau, es ist einfach, wir sind über die Zeit so gewachsen und es hat sich so gegeben oder ergeben und naja, heutzutage, wir machen das Beste draus, (Alpar: (lacht.)) würde ich sagen.

Alpar: Du machst die Firma mit deinem Bruder, das ist ja auch eine ungewöhnliche Konstellation, also, wenn ich das recht sehe, seid ihr beiden ja sozusagen die Leitwölfe im Rudel.

Dreyer: Ja, das stimmt. Wir sind drei Brüder, wir haben auch noch eine Schwester, allerdings ist die in einem anderen Bereich tätig. Und wir drei Brüder machen das mittlerweile zusammen, ich habe das mit meinem, mit dem zweiten, mit dem jüngeren Bruder schon seit zehn Jahren gemacht. Wir haben mit Domain-Business angefangen, oder mit Webmaster-Business, sind dann hin gewechselt zu Seitenbetreibern oder Dating-Anbietern und ich würde sagen, wir ergänzen uns relativ gut, dadurch dass wir ja einfach unterschiedliche Charaktere sind und jeder kennt das Sprichwort: Blut ist dicker als Wein. Blut ist dicker als Wasser. Wein ist dicker … Nein! (lacht.) Macht nichts!

Alpar: (lacht.) Sehr schön! Was würdest du denn sagen, wie ist genau eure Aufgabenteilung, also kümmert sich einer um das Marketing, einer Produkt, einer um die Technik, oder was ist so die klassische Aufgabenteilung?

Dreyer: Wir haben keine klassische Aufgabenverteilung. Unser kleiner Bruder managt poppen.de, Julius und ich managen die komplette Firma und die Strategie der Firma und geben die Richtung vor. Unsere Mitarbeiter loben uns sehr häufig dafür, dass wir so viel Verantwortung abgeben können und ja, ich würde sagen, wir sind sehr gut darin, Verantwortungsbereiche auszugliedern.

Alpar: Wie schafft man es denn, Mitarbeiter zu finden, an die man überhaupt Verantwortung rausgeben kann und möchte. Sind das jetzt alles Leute, die du kennst quasi seit ihrem ersten Arbeitstag? Oder wie lernt man die kennen? Man muss ja auch gerade, wenn man wächst, neue Leute dazu heuern, da kennt man sich jetzt nicht schon eine Ewigkeit.

Dreyer: Viel ergibt sich natürlich durch Erfahrung mit der Zeit. Anfangs macht man natürlich Fehler, was Einstellungen angeht, auch selbst heute sind wir davor noch nicht gefeit aber, ja ich würde sagen, das ergibt sich individuell. Die meisten unserer Mitarbeiter haben wir über die Zeit kennen gelernt, also wir kannten sie noch nicht vorher und Vertrauen entwickelt sich, würde ich sagen.

Alpar: Okay. Ihr seid jetzt nun einmal in der Adult-Branche behaftet, ich glaube, mein Eindruck ist davon, dass ihr das sehr professionell macht. Hast du das Gefühl, das ist in der Branche eher Ausnahme oder eher Standard, wie ihr das betreibt, also eure, ich sage mal, Interpretation der Vorgehensweisen?

Dreyer: Ich würde sagen, wir sind eher die Ausnahme in dieser Branche und wir werden von vielen Leuten in der Branche auch immer als die Mutter Theresa des Porns bezeichnet (lacht). Ich sehe persönlich als Kompliment, weil es unser Ziel ist, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu entwickeln, was dem User einen echten Mehrwert zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Viele Anbieter in dieser Branche machen das nicht, oder es sind eben auch häufig schwarze Schafe dabei, das ist nicht in unserem Interesse.

Alpar: Okay. Ihr seid ja auch groß im Domain-Business, was heißt groß? Größer als die meisten. Vor allem was die Mengen an Top-Domains angeht, die ihr habt. Wie geht ihr da vor? Weswegen überhaupt Domains kaufen und wie versucht man dann den Wert festzulegen einer Domain?

Dreyer: Ja, man muss dazu sagen, wir haben eben damals als Webmaster angefangen und haben eben auch den Wert des Type-In-Traffics erkannt und es war, ich würde sagen, eine schleichende Entwicklung vom Webmasterbusiness über, oder vom Domainbusiness bis zum Webmasterbusiness über da wo wir jetzt sind. Ja, in den letzten zehn Jahren haben wir sehr viele Domains gekauft, mittlerweile fokussieren wir uns allerdings nicht mehr so auf den Domainhandel, sondern kaufen eigentlich nur noch Domains, die wir auch wirklich beleben und projektieren.

Alpar: Aber der klassische Domainer, das heißt, also wenn du sagst, Type-In-Traffic heißt natürlich nur .de-Domains sind interessant wenn es um Deutschland geht, oder .com-Domains, wenn es um Amerika geht. Ist das richtig?

Dreyer: Ja, das kann man so sagen.

Alpar: Okay. Das heißt, Keyword-Domains, die auf .net oder .org enden, wären jetzt nicht so euer Thema?

Dreyer: Nein, wir suchen schon mehr die Premium- oder erstklassigen Domains.

Alpar: Okay. Der klassische Domainer, der denkt ja eher daran, wie er die nächste Domain wieder losschlagen kann, du sagst jetzt, ihr seid in letzter Zeit immer davon weiter weggekommen. Wie habt ihr denn überhaupt versucht, also habt ihr Domains überhaupt auch jemals verkauft, oder nur gekauft?

Dreyer: Wir haben einige wenige Domains verkauft. Größtenteils kaufen wir, weil wir einfach langfristig an den Wert einer Domain glauben, oder an den Wert einer guten Type-Inn-Domain, oder generischen Domain.

Alpar: Okay, das heißt, die Domains werden dann erst einmal geparkt bis sie projektiert werden? Kann man das so verstehen?

Dreyer: Ja, also wir fahren eben, oder ich sage es mal so, es ist, unser Ziel ist es, uns möglichst lange und möglichst viele Optionen offen zu halten. Mit diesen Domain, die wir derzeit haben, haben wir sehr viele Optionen, auch außerhalb der Erotikbranche. Falls wir irgendwann entscheiden sollten, dass die Erotikbranche uns nicht mehr so zusagen sollte, haben wir immer noch andere Metiers, mit denen wir uns beschäftigen können.

Alpar: Okay, ich weißt nicht, ich kaufe auch ab und zu mal eine Domain, oder registriere mal eine. Also bei mir liegt so die Quote an unprojektierten Domains so etwa bei drei Viertel, würde ich mal sagen. Wie liegt die bei dir, oder bei euch?

Dreyer: Bei 85-90% würde ich sagen.

Alpar: Also noch schlimmer (lacht).

Dreyer: Ja (lacht).

Alpar: Tut das nicht immer auch so ein bisschen weh, dass man sagt, Mensch, ich habe da jetzt irgendwie so und so viel Geld hingelegt für die Domain, jetzt liegt sie da rum. Würde man sagen irgendwie, verliert die an Wert oder bleibt der Wert einfach nur erhalten oder gewinnt die sogar an Wert?

Dreyer: Ich würde sagen, der Domain-Wert wird in den nächsten Jahren noch weiter steigen, zumindest für Premium- und erstklassige Domains.

Alpar: Sind das dann immer .de-Domains oder können das auch .com Domains sein?

Dreyer: Ja, .de und .com würde ich sagen, sind die Premiumdomains, zumindest auf die wir uns konzentrieren.

Alpar: Wer sind üblicherweise die Leute, denen ihr die Dinger abkauft? Das sind ja bestimmt auch Domainer oder Leute, die auch projektiert haben, gerade, wenn das so erstklassige Domains sind.

Dreyer: Meistens sind die Domains, die wir kaufen, schon sehr lange im Besitz einer Person. Teilweise sind es Domainer, die die Domain ursprünglich beleben wollten, es jetzt doch nicht mehr geschafft haben, oder nicht mehr vorhaben und sie aus diesem Grund verkaufen. Also … es ist unterschiedlich.

Alpar: Okay, jetzt bin ich ein Domainer, ich habe eine Domain, die du willst, ich sage, die ist 100.000 Wert, was nun?

Dreyer: Ich würde sagen: Wie viel ist die Zeichenlänge (lacht)?

Alpar: Ja, die Zeichenlänge ist fünf und es ist ein Wort.

Dreyer: Kann ich so aus dem Stehgreif nicht sagen. Ich würde sagen, es kommt auf die Branche an, es kommt auf die Besucher an und auf den generischen Wert.

Alpar: Das heißt wie viele Leute nach dem Begriff suchen, ob der conversion-relevant ist, solche Themen.

Dreyer: Genau, z.B. ist es E-commerce, oder was für Themen stecken da hinter.

Alpar: Wie ist das handeln mit Domainern, das ist eher so meine Erfahrung, also das kann auch mitunter recht unsachlich sein und langwierig, oder hast du ganz andere Erfahrungen gemacht? Vielleicht habe ich mir auch nur die Negativbeispiele, die selber gemacht habe, mehr zur Brust genommen, als ich es hätte machen sollen.

Dreyer: Wir kaufen eigentlich nur von Domainers, wir verkaufen nicht an Dominier. Weil Domainer einfach nicht der Endkundenpreis sind, oder der Endkunde sind, der eine Domain kauft und man somit auch nicht den optimalen Preis erzielen kann.

Alpar: Das heißt, du würdest empfehlen, wenn man Domains verkaufen möchte, eher an den Endkunden zu gehen?

Dreyer: Ich würde sagen, da kann man den höheren Preis verlangen oder bekommen. Immerhin versucht der Domainer, sie auch nur weiter zu verkaufen.

Alpar: Und von Domainern zu kaufen, also, bist du dann quasi in deren Auge der Endkunde, das heißt, die erzielen mit dir den optimalen Preis.

Dreyer: Ja, also die Domains, die wir heutzutage kaufen, da würde ich schon sagen, dass wir planen ein Endkunde zu werden.

Alpar: Vielleicht eine Domain, die ihr gekauft habt, du jetzt spontan enthüllen möchtest, die man vorher nicht wusste, dass die zu euch gehört zum Imperium?

Dreyer: gay.de haben wir vor zwei Wochen gekauft.

Alpar: Passt ja zufällig zu gays.de und gays.com.

Dreyer: Ganz genau.

Alpar: Das reiht sich ja irgendwie ganz gut ins Bild ein. Sehr schön. Und die Schwulen-Community wird dann außer gayromeo noch eine neue Anlaufstelle bekommen?

Dreyer: Ja, also sie haben bisher ja schon eine Anlaufstelle unter gays.de, dort sind wir relativ erfolgreich vertreten mit 120.000 Mitgliedern und ja, ob sich gays.de nun, oder ob das Brand gays.de nun zu gay.de hin wandelt, das ist eine Frage der Zeit und der Strategie.

Alpar: Jetzt weiß ich zufällig, dass du nicht schwul bist, wie kann man dann überhaupt als nicht Schwuler so einen Markt bedienen? Ist das irgendwie, kann man so einen Markt bedienen, wenn man jetzt nicht 1:1 nachvollziehen kann, warum und wie da die Nachfrage funktioniert?

Dreyer: Ich würde sagen, aus der Erfahrung, die wir gemacht haben und aus dem Feedback, was wir bisher bekommen haben: Nein, man kann als Nicht-Schwuler nicht, oder ist es zumindest sehr schwierig eine Schwulenseite zu betreiben. Wir sehen uns in dieser Konstellation mehr als Investor und mehr als Consultant, der dahinter steht. Betrieben werden unsere Schwulenprojekte von schwul-lesbischen Leuten.

Alpar: Das heißt, man braucht tatsächlich die Marktkenntnisse und das ist schwer, das von außen rein zu tragen.

Dreyer: Ja, zum einen natürlich die Marktkenntnis und zum anderen die Kenntnis der Szene würde ich sagen.

Alpar: Dann vielleicht noch etwas Nettes, das du Unternehmern in Deutschland mit auf den Weg geben möchtest? Also vielleicht Empfehlungen ala: Mensch, lieber in Deutschland bleiben, lieber ins Ausland gehen oder Standort ist ganz egal, andere Dinge sind wichtig?

Dreyer: Versucht es nachhaltig zu machen, versucht nachhaltiges Unternehmertum und einen Fair-Trade zu entwickeln, sodass alle Seiten zufrieden sind, das sind meine, oder das sind unsere persönlichen Werte und Ziele, die wir haben.

Alpar: Super, dann vielen Dank für das Interview, David!

Dreyer: Nichts zu danken.

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